Auf den Spuren von Franziskus und Chiara von Assisi

Franziskus und Chiara von Assisi sind zwei äusserst eindrückliche Gestalten, die zwar vor 800 Jahren gelebt haben, deren Leben aber viele wertvolle Impulse auch für Menschen von heute, gerade auch für junge Menschen enthält. Etwas diese Spur aufzunehmen, war das Ziel des 6. Firmwegabends.

„Vergiss die Armen nicht!“ rief ein Kardinal dem eben frisch zum Papst gewählten Jorge Maria Bergoglio 2013 zu. Dieser Satz hallte im neu gewählten Papst nach. Da kam ihm Franz von Assisi in den Sinn jener berühmte Mann aus dem Mittelalter, dessen Leben den Armen und Kranken galt. Und so wählte er ganz bewusst den Namen Franziskus als Papstname und versucht seither auch als Papst dem Beispiel von Franz von Assisi zu folgen.

In einem kleinen Filmausschnitt am Beginn des Firmwegabends stellte ein Mädchen dem Papst die Frage, wieso er nicht in einer Luxuswohnung wohnt und wieso er nicht mit einem Luxuswagen fährt wie seine Vorgänger.

Papst Franziskus antwortet, dass er es einen Skandal findet, dass in einer Welt, die soviele Reichtümer hat noch so viele Menschen arm sind und hungern. Er macht einen Aufruf, dass sich die Dinge in dieser Welt nur ändern, wenn wir alle etwas ärmer werden, damit es den Armen etwas besser geht. Dabei kann uns der hl. Franz von Assisi ein grosses Vorbild sein. „Die grosse Versuchung“, so Papst Franziskus, „die durch die gesamte Geschichte spürbar war, für Christen, für Menschen überhaupt und auch für die Kirche, das war der Reichtum.“

 

Der Sohn von Bill Gates von Assisi

Diesen Reichtum und seine Versuchungen kannte Franz von Assisi seit Kindsbeinen an sehr wohl. War er doch der Sohn des damals reichsten Mannes von Assisi, Pietro di Bernadone, gleichsam dem Bill Gates von Assisi. Er lebte auch als junger Mann das Leben eines verwöhnten Playboys.
Doch die einjährige Gefangenschaft im Kerker von Perugia nach einer verlorenen Schlacht und später vor allem die Begegnung mit einem Aussätzigen, einem Leprakranken, brachten Franz in eine tiefe Lebenskrise, wo er intensiv nach dem Sinn seines Lebens suchte. Dabei trieb er sich viel vor den Toren der Stadt Assisi umher, wo die Armen ihre Slum-artigen Hütten hatten. Er sah unter welch erbärmlichen Bedingungen diese ihr Leben fristen mussten.

Ebenso sehr erschütterte ihn das Schicksal der Leprakranken, die noch ärmer dran waren, mussten sie doch ihr Dasein geplagt von der hochansteckenden eitrigen Geschwür-Krankheit in grosser Distanz zur Zivilisation fristen.

Leben mit den Armen

So verkaufte er eines Tages sehr viel kostbares Tuch aus dem Geschäft seines Vaters und verteilte den Erlös unter die Armen.

Sein Vater war so erzürnt darüber, dass er seinen Sohn vor Gericht verklagte. Dieser nahm das als Anlass eine einschneidende, folgenschwere Entscheidung zu treffen: Er verzichtete auf all seinen Reichtum und seine Rechte, gab dem Vater sogar all seine Kleider zurück und lebte von nun an als Komplet mittelloser Armer unter den Armen und Kranken.

 

Chiaras Weg

Auch Chiara von Assisi war als adlige Grafentochter eine hochprivilegierte Person. Sie war schon früh fasziniert von Franz, dessen Suchen nach einem tieferen Sinn im Leben sie teilte. Die beiden beeinflussten sich gegenseitig positiv, so dass Chiara schliesslich auch heimlich von zu Hause ausriss, auf alle Privilegien verzichtete und fortan auch als Arme ein Leben unter den Armen und Kranken führte.

 

Eintauchen in die Lebenswelt von Franz und Chiara

Die jungen Menschen hatten die oben erwähnten Stationen aus dem Leben von Franz und Chiara mittels eines Spielfilmausschnitts vermittelt bekommen. Nun wurden sie eingeladen, mal ganz konkret in die Schuhe von Franz und Chiara zu steigen, resp. sich in ihre Lebenswelt zu versetzten.

In einem Rollenspiel erhielt jeder die Rolle einer Figur aus der Zeit von Franz und Chiara. Es ging darum, dass Franz und Chiara auf dem Marktplatz von Assisi angepöbelt wurden von Bewohnern von Assisi, weil sie sich um die Aussätzigen kümmern und bei den Armen leben und so eine Gefahr für die Stadt darstellen, weil sie den Aussatz oder auch andere Krankheiten in die Stadt tragen. Die Schwestern von Chiara, aber auch Freunde von Franz verteidigten die beiden, während wiederum die Eltern der beiden sie überhaupt nicht verstehen konnten und nur wollten, dass sie wieder „normal“ würden und nach Hause kämen. Sie könnten ja mit ihrem Geld den Armen viel besser helfen als jetzt. Doch Franziskus und Chiara hielten dagegen, dass die Armen und auch die Aussätzigen nicht primär Geld, sondern menschliche Nähe und Wärme brauchten.

Es entwickelte sich eine ganz spannende spontane Diskussion, die wohl allen half sich viel besser in die Lebenswelt von Franziskus und Chiara hinein  zu versetzen und besser zu verstehen, warum diese diesen Weg für ihr Leben gewählt hatten.


Und heute?

In einer anschliessenden Diskussion wurde die Situation des Rollenspiels ins heute übertragen:

„Würdest du einen freiwilligen Einsatz in einem Ebolagebiet leisten, auch wenn die Gefahr einer Ansteckung gross ist?“
„Ein Freund fragt dich, ob du morgen zu einem Spezialeinsatz auf der Gasse mitkommst, Gassenküche in St. Gallen, wo Mittel- und Obdachlose und Drogenkranke etwas zu essen bekommen. Mehrere Leute, die kommen sind Hepatitiskrank, andere haben HIV und Hepatitis, wiederum andere haben überall offene Absesse… Würdest du da mitmachen?“
Eine Freundin fragt dich, ob du morgen im Altersheim aushelfen könntest: Es gibt da ein Problem: Es da der Norovirus ausgebrochen, das heisst oben rein, unten raus, ziemlich starker Durchfall, kannst nichts mehr behalten. Ein 90jährige Mann, der hat Windeln an. Sorry, die Pflegerin ist gerade besetzt, jetzt musst du die Windeln wechseln. Hochansteckend, was da drin ist. Würdest du das machen?“

Wiederum gab es sehr interessante Diskussionen. Zum Abschluss eines spannenden Abends setzten sich die jungen Menschen mit einigen Zitaten über die Armut in der heutigen Zeit auseinander.

Sie hatten gemerkt, Franz und Chiara gaben wertvolle Impulse für eigene Lebensentscheidungen, aber auch für den Umgang mit Menschen am Rande der Gesellschaft. Dies zeigen auch die folgenden Feedbacks:

 

Feedbacks

„Mir gefiel das Thema sehr, es hat mein Interesse an Assisi sehr gesteigert. Die Filmabschnitte waren spannend. Wir hatten eine super Gruppe und mir wurde besser klar, wer Franziskus ist und welche Bedeutung er hat.“

„Ich fand das Thema sehr spannend und auch das Rollenspiel. Ich nehme mit: Geld ist nicht alles im Leben.“

„Armut ist ein sehr wichtiges Thema der Menschheit, welches mehr thematisiert werden sollte. Ich fand das Rollenspiel gut und auch die Gruppe war gut dabei. Ich nehme besonders das Zitat mit ‚Gott hat die Armut nicht erschaffen, sondern du und ich, weil wir nicht teilen.'“

„Spannendes Thema, guter Einstieg für Assisi, spannende Lebensgeschichte von Franz und Chiara. Jeder hat sich gut eingebracht.“

„Es war sinnvoll, etwas über Franz und Chiara zu erfahren, da wir ja nach Assisi fahren. Ich nehme mit, dass man nicht nur an sich selber denken soll, sondern auch an die anderen.“

„Ich fand gut, dass wir die Geschichte auch auf die heutige Welt bezogen haben und auch mal die andere Seite des Lebens, die Armut besprochen haben. Alle haben auch gut beim Rollenspiel mitgespielt.“

„Guter Einstieg für Assisi. Der Film war gut, wenn auch etwas lang. Das Rollenspiel hat es aber gut abgerundet. Alle haben etwas gesagt und sich auf ihre Rolle eingelassen. Ich habe möglichst viel probiert gute Argumente für meine Person ‚Chiara‘ einzubringen.“

„Es war gut, den Film zu schauen, man konnte sich gut in diese Zeit hineinversetzen. Allerdings hat es bei uns in der Gruppe nicht so viel Austausch gegeben und ich konnte auch noch nicht so viel für mich selbst mitnehmen. Trotzdem weiss ich besser, warum wir nach Assisi gehen und wer Chiara und Franz sind.“

„Das Thema war gut und aktuell. Ich weiss jetzt auch, warum der jetzige Papst den Namen Franziskus gewählt hat. Mir wurde bewusst, dass wir Schuld sind, dass es Armut gibt.“

„Ich fand es gut, dass man vor der Reise etwas über Franziskus erfahren hat. Das Rollenspiel war eine gute Idee, ist zwar nicht so meins, war aber lustig. Ich nehme mit, auch an die Armen zu denken und das nicht zu unterdrücken.“

„Die Fragen zum Film waren super gewählt und der Film ebenfalls. Gruppe war toll, hat tolle Beiträge gebracht! Mir wurde bewusst: Selbstgewählte Armut kann auch gut tun!“

„Das Rollenspiel war in unserer Gruppe ein bisschen langweilig mit der Zeit. Die Gruppe war gut. Ich nehme mit, dass man auch selbst verzichten muss, um wirklich helfen zu können.“

„Es war ein interessantes Thema. Vor allem auch das Rollenspiel fand ich interessant. Alle haben gut mitgemacht. Mir wurde bewusst: Die armen Menschen können glücklicher sein als die Reichen.“

„Das Thema regt zum Nachdenken an und kann einem auch einiges bewusst machen. Sehr gute Umsetzung und mit aktivem Teil im Rollenspiel. Wir hatten eine geniale Gruppe. Mir wurde bewusst, dass man öfter teilen und sich auch in Arme hineinversetzen sollte.“